Und wo ist die «kleine Rote»? Ein Bahnplakat von Augusto Giacometti

«Qui riposa il maestro dei colori» steht auf dem Grabstein des Bergeller Künstlers Augusto Giacometti (1877-1947). Ein «Meister der Farben» war Augusto Giacometti tatsächlich: In manchen Werken scheinen erst die Farben den Dingen Gestalt zu geben, in anderen Werken scheinen sich die Farben frei, aber immer harmonisch zu entfalten.

Gegenständlich und mit klaren Farbflächen erscheint jedoch ein Plakat Giacomettis aus dem Jahr 1918. Es zeigt einen roten, geöffneten Sonnenschirm über der Oberengadiner Berglandschaft. Dieses Plakat wurde mehrfach eingesetzt: Es warb für Graubünden mit der Aufschrift «Viva la Grischa» oder mit «Sonnenland» und es warb für Graubünden im Verbund mit der Rhätischen Bahn. Das Kürzel «Rh.B.» ist in dieser Variante oben links zu sehen. Die Rhätische Bahn, in Graubünden liebevoll die «kleine Rote» genannt, fehlt jedoch auf allen Plakatvarianten.

Für die Eisenbahn werben, ohne die Eisenbahn zu zeigen? Augusto Giacometti war mit dieser Idee nicht allein. Auch andere Künstlerinnen und Künstler bedienten sich Sujets, die nicht die Bahn, sondern das Ziel der Reise vor Augen führten. Und heute würde die Bahn im Bild wohl irritieren: Die «kleine Rote» war um 1918 nämlich noch grün. Rot wurden die Wagen erst Jahrzehnte später.

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