Objekte / Dokumente
Kasel
Beschreibung
Kasel, nur noch die Rückseite erhalten, das Vorderteil mit neuerem Gewebe und gesticktem Stab, wohl um 1500. Das Gewebe des Rückenteils besteht aus einem Seidengewebe, das womöglich aus dem 14. Jh. datiert.Der Stoff wurde erst um 1500 zu einer Kasel verarbeitet. Aus dieser Zeit stammt auch der gestickte Stab (B: 18 cm) mit seinem bemerkenswerten ikonografischen Programm. Die Reliefstickerei (nach Poeschel mit Wolle unterlegt) wird bereichert durch abgeheftete Gold- und Silberfäden, applizierte Pailletten und Seidenapplikationen. Der Stab wird durch eine Kordel gesäumt. Oben erscheint Gottvater in einem teigigen Wolkengebilde. In seiner rechten hält er den Reichsapfel und in seiner seitlich ausgestreckten Hand die beiden Gesetzestafeln. Unter ihm schwebt die Hl.-Geist-Taube. Durch ein flatterndes und geknicktes Band getrennt erscheinen unter der Taube zwei fliegende Engelgestalten, welche eine Krone tragen. Unmittelbar darunter steht die Muttergottes vor der Flammenmandorla auf einer umgedrehten Mondsichel, welche gleichsam von zwei weiteren Engeln getragen wird. Maria trägt das unbekleidete Christuskind auf ihrem Arm. Wiederum durch ein flatterndes Band getrennt, erscheint unter der Gottesmutter das Höllenreich. Die Seele einer verstorbenen wird von zwei wild tanzenden Teufeln mit Fledermausflügeln, Vogelfüssen und Händen an einem Strick in die Tiefe gezogen. Gleich unter den Teufeln, auch durch eines der Bänder getrennt, verschlingt ein Höllendrache eine nackte, kniende Frau. Der schmälere Stab der Vorderseite (B: 10 cm) zeigt in gleichartiger, jedoch nicht reliefierter Stickerei vier Heilige unter Flechtwerkbaldachinen. Von oben nach unten; den Diözesanpatron Florinus in Kasel mit dem Kelch in den Händen, die Halbfigur des hl. Otmar mit Abtstab und Salzfässchen, den hl. Gallus mit Abtstab und Bär, sowie der Halbfigur des hl. Bernhard von Clairvaux, gekennzeichnet durch den Abtstab, die weisse Kukulle der Cisterzienser und dem vor ihm liegenden Teufel an der Kette. Beim hl. Bernhard meint Poeschel es sei der Hl. Bernhard von Menthon oder Magnus. Bernhard von Menthon (= Bernhard von Aosta) hält zwar auch den Teufel an der Kette, wird jedoch im Chorherrengewand dargestellt.
Technik / Material
Goldbrokatell, Seide
Material
Textilmaterial
Masse
130,0 x 85 cm (Höhe x Breite)
Medientyp
Kategorie
Standort
Domschatzmuseum Chur
Signatur / Identifikationsnummer
TE.I.13
Nachweis / Literatur
Poeschel Erwin: Die Kunstdenkmäler des Kanton Graubündens VII. (Die Kunstdenkmäler der Schweiz), hg. von GSK, Basel 1948, (S. 182, Nr. 1).; Dosch Luzi: Das Dommuseum in Chur (Schweizerische Kunstführer, Serie 43 Nr. 422), Bern 1988, (S. 14).; Schmedding Brigitta: L'antico tessuto d'arte italiano nella mostra del tessile nazionale (Austellungskatalog), Rom 1937/38, S. S. 24, Nr. 27, Abb. 24 / S. 27, Nr. 48, Abb.26.; Sophie Haesen: Materialität und historische Betrachtung der «arabischen» Kasel von Chur, in: Bündner Monatsblatt, 3/2023, hg. von Institut für Kulturforschung Graubünden, Chur 2023.; Corinne Mühlemann: Gold-Seide-Stoffe mit Streifendekor aus Westasien und dem östlichen Mittelmeerraum um 1300 (Nationalfonds-Projekt 2014-2018) 2018.