Bauwerke
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt, Chur
Titel / Bezeichnung
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt, Chur
Alternativer Titel
Cattedrale di S. Maria Assunta; Cathedral of St. Mary of the Assumption
Datum
12. Jh.
Epoche
Mittelalter (700-1500 n. Chr.)
Institution
Beschreibung
Die Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt ist eine wuchtige, spätromanische Basilika mit hervorragender Bauplastik und reicher Ausstattung, welche von karolingischer bis in nachbarocke Zeit reicht. Zudem besitzt sie einen bedeutender Domschatz.
Bei den Ausgrabungen von 1921 wurden Reste zweier Vorgängerbauten entdeckt. Eine kleinere Apsis gehört wahrscheinlich zur Kathedrale des 5. Jahrhunderts, eine grössere zur Kirche des Bischofs Tello (gestorben um 773), von der auch Fragmente der marmornen Chorschrankenreliefs erhalten geblieben sind. Der heutige Bau wurde wohl unter dem Zisterzienserbischof Adalgott (1151-60) begonnen, die Chorweihe fand 1178 statt, der Kreuzaltar wurde 1208 geweiht und die Schlussweihe konnte 1272 unter Bischof Heinrich von Montfort vollzogen werden. Der Anbau der Laurentiuskapelle wurde 1467 abgeschlossen. Im 17. Jahrhundert wurden die Seitenschiffe neu dekoriert und die obere Sakristei erbaut. Nach dem Brand von 1811 war eine Erneuerung der Dächer und der Wiederaufbau des Turmes auf den alten Fundamenten nötig. Die Arbeiten zogen sich bis 1829.1924-26 wurde die Kathedrale von den Gebrüdern Sulser renoviert, die im Sinne der Materialgerechtigkeit Gewölberippen und Wandpartien bis auf die Steinsichtigkeit freilegten. Restauriert wurde die Kirche schliesslich 2001-2007 durch die Architekten Rudolf Fontana und Gioni Signorell. Die ausserordentlich starke Achsenverschiebung erklärt sich wohl aus der Lage hart am Felsabbruch über der Plessur, die durch die kleineren Vorgängerbauten gegeben war, möglicherweise aber auch aus einer nach dem Bau des Altarhauses erfolgten Projektänderung.
Die Basilika ist ein einfacher Aussenbau. In der von zwei flachen Lisenen flankierten, aus Haustein errichteten Westfront des Mittelschiffes dominiert ein spätromanisches Hauptportal, vor dem schrägen Gewände stehen Säulen mit Knospenkapitellen. Über dem Portal befindet sich ein grosses spätromanisches Rundbogenfenster. Das gefasste Lünettengitter wurde um 1730 gefertigt. Am nördlichen Seitenschiff sind die Ansätze eines ehemaligen Kreuzgangs und die alte Befensterung im Putz sichtbar. Zwischen dem Chor und dem nördlichen Seitenschiff steht ein Turm mit Kuppelhaube über achteckigem Glockengeschoss, der nach dem Brand von 1811 von Johann Georg Landthaler 1828-29 wiederaufgebaut wurde. Die Kathedrale war ursprünglich mit einem Turm über dem Chorquadrat konzipiert, dessen Reste im Dachstuhl erkennbar sind. In der Nordwand des Chors sind Radfenster des 14. Jahrhunderts eingelassen. In der Südwand wurde eine Gruppe aus drei Fenstern 1924-25 im ursprünglichen Sinn wieder hergestellt. Darunter erhebt sich das zweigeschossige Sakristeigebäude. In der Nordostecke des Chors steht eine Löwenskulptur von Anfang des 13. Jahrhunderts. An der Ostwand des Altarhauses haben sich Wandbildfragment mit Darstellung der Kreuzigung aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts erhalten, die 2004 restauriert wurden. Darüber ist die ursprüngliche Dachlinie, wie sie sich bis 1811präsentierte, sichtbar.
Die Anlage über auffallend unregelmässigem Grundriss besteht aus dem Langhaus mit drei dem Quadrat angenäherten Jochen im Mittelschiff und schmalen Seitenschiffen, dem stark erhöhten, über seitliche steile Treppen zugänglichen Chor und dem eingezogenen, gerade geschlossenen Altarhaus. Auf Bündelpfeilern stehen schwere überhöhte Kreuzgewölbe mit rechteckigen Rippen. Vom Ostjoch des südlichen Seitenschiffs hat man Zugang zur Laurentiuskapelle mit einem eigenen, netzgewölbten Polygonalchörlein, datiert 1467 an der nördlichen Schräge, 1491 am Sakramentshäuschen. Das Datum 1544 über dem Chorbogen bezeichnet das Jahr eines Umbaus, bei dem das Schiff der Kapelle verlängert, neu eingewölbt, neu befenstert und durch eine grössere Öffnung mit dem Hauptbau verbunden wurde.
Unter dem Chor und Altarhaus befindet sich die Krypte, sie ist gegen das Schiff hin in ganzer Breite mit einem flachen Bogen geöffnet, der die zwei Treppenabgänge überspannt. Die vordere Krypta hat ein ungewöhnlich flaches Kreuzrippengewölbe, die Kreuzung der breiten Bandrippen wurde nachträglich mit einer Achteckstütze über geducktem Löwenreiter unterstellt. Dahinter, unter dem Altarhaus, befindet sich ein zweischiffiger Raum, dessen vier Kreuzgewölbe auf zwei gedrungenen Säulen abgestützt sind, dekoriert mit Régencestuckdekoration 1730 auf rosa und grünem Grund. Die hintere Krypta ist durch ein Gitter des frühen 16. Jahrhunderts mit diagonal gestellten Stäben abgetrennt.
In der Kathedrale finden sich Kapitelle von unterschiedlicher künstlerischer Qualität, teilweise in Verwandtschaft zu Werken des lombardischen Bildhauers Benedetto Antelami. In der hinteren Krypta sind Würfel-, Blatt- und Figurenkapitelle mit Tierhäuptern und dem Gesicht eines bärtigen Mannes aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts zu sehen. Die Kapitelle des Altarhauses und des Chors zeigen unter anderem von Osten nach Westen vier Karyatidenengel mit Ritter (Altarhaus), die heilige Familie zusammen mit Verkündigung Mariä oder Eva und die Anbetung der Könige (am Bogen zwischen Chor und Altarhaus). Am Chorbogen ist eine Symbolisierung der Bedrohung des Menschen durch das Böse in naiver Gestaltung zu sehen und als klassisch ausgebildetes Gegenstück dazu Daniel in der Löwengrube. Im Schiff, an den Arkaden und in der Gewölbezone finden sich weitere Figurenkapitelle, z. B. König Salomon im nördlichen Obergaden. Gegen Westen und in den Seitenschiffen dominieren vegetabile Formen, vor allem Knospenkapitelle. An den Pfeilerbasen sind Eckknollen mit Blatt- und Tiermotiven aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhalten.
Am Eingang zur Krypta stehen vier einzigartige Apostelsäulen auf Löwenpostamenten und mit Karyatidenkapitellen von Anfang 13. Jahrhundert. Sie trugen eine lettnerartige Kanzel (Pulpitum), die vom Chor aus zugänglich war, und unter der sich der Kreuzaltar befand. Aus der gleichen Werkstatt stammt die bereits erwähnte Stütze im Zentrum der vorderen Krypta. Die Apostel entstanden vermutlich unter Einfluss der Portalplastik von Saint-Trophime in Arles.
Neben der linken Chortreppe steht ein spätgotisches Sakramentshäuschen, es ist wohl das reichste und harmonischste Werk dieser Art in der Schweiz von Meister Claus aus Feldkirch, datiert 1484, mit zwei Engelfiguren sowie Statuen von Mariä, der Diözesanheiligen Luzius und Florinus sowie der Apostel Peter und Paul in der fialenbesetzten Bekrönung. An der Ostwand, hinter dem Hochaltar, steht ein spätgotischer Wandsarkophag zur Aufnahme von Reliquien.
An der Schildbogenwand im Westjoch des nördlichen Seitenschiffes ist auf Wandmalereien eine Epiphanie mit Heiligenreihe sowie eine Kreuzigung mit Marienohnmacht und Kephalophoren zu sehen, ein Hauptwerk des Waltensburger Meisters um 1330/40, von dem möglicherweise auch der heilige Christophorus an der Westwand des Mittelschiffs, neben dem Haupteingang, stammt. Ebenfalls dargestellt sind eine thronende Madonna mit Stifter, eine Heiligenreihe und Wappen Thumb von Neuburg von Ende des 14. Jahrhunderts, vielleicht vom Rhäzünser Meister, sowie ein Fragment eines Weltgerichts aus dem 16./17. Jahrhundert. In der Laurentiuskapelle finden sich Renaissancemalereien von 1546. Die Seitenschiffgewölbe wurden im 17. Jahrhundert in zwei Etappen bemalt, die mittleren Joche wohl von Johann Christoph Guserer (gestorben 1707). Im Westjoch des südlichen Seitenschiffs sind Stuckdekorationen und ein Wandbild mit Christus und Petrus auf dem Meer zu sehen, inspiriert von einem einem Lapislazulibild aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, das sich im Domschatz befindet. Es bildete wohl auch das Vorbild für das Gemälde im Josephsaltar von 1657.
Das grosse Westfenster wurde 1884 von den Parisern Claudius Lavergne und Söhnen geschaffen, die übrigen Glasmalereien stammen von Albin Schweri und Louis Halter von 1925.
Im Westjoch des nördlichen Seitenschiffes steht ein Katharinenaltar. Das spätgotische Flügelretabel um 1500 stammt vielleicht von Hans Springinklee d. Ä. und besteht aus einem gemalten Mittelbild und Standflügeln. Es zeigt das Stifterwappen des Bischofs Heinrich von Hewen (1491-1505, gestorben 1509). Das Mittelbild ist nach der Kreuztragung aus Dürers Grosser Holzschnittpassion gestaltet. Der Taufstein stammt von 1612, der Aufsatz von Ende 17. Jahrhundert. Im Mitteljoch des nördlichen Seitenschiffs steht ein Gaudentiusaltar, das Altarblatt von Johann Rudolf Sturn von 1625 zeigt Mariä Himmelfahrt. Im Ostjoch befindet sich ein Herz-Jesu-Altar, der 1625 errichtet wurde, die seitlichen Figuren werden Erasmus Kern zugeschrieben, das Altarblatt stammt von Felix Baumhauer von 1926. An der nördlichen Hochschiffwand des Ostjoches befindet sich die bischöfliche Betloge auf einem gestuften Unterbau mit Frührenaissancemalerei in Camaïeutechnik von 1517. An der Brüstung ist die Anbetung der Könige dargestellt, das Régenceholzgitter datiert um 1730. Die Kanzel aus rötlichem Stuckmarmor wurde 1733 von Meister Joseph gefertigt. Das zweireihige Chorgestühl stammt aus der Mitte des 14. Jahrhundert und wurde im zweiten Viertel des 15. Jahrhundert erweitert, 1845 wurde ein Teil aus dem Schiff in den Chor versetzt. Der Pontifikalthron wurde 1883 von den Gebrüdern Albin aus dem Val Medel gebaut, die plastischen Teile stammen von C. Aufdermaur und Söhne. Am Bogen vor dem Altarhaus befindet sich ein manieristischer Kruzifixus Ende des 16. Jahrhunderts.
Der Hochaltar gilt als der bedeutendste und schönste Schnitzaltar der schweizerischen Spätgotik. Der romanische Altartisch mit von Säulen umgebenem Stipes von 1178 wurde aus Spolien der ersten Kirchen zusammengesetzt, unter anderem aus der Marmor-Mensa mit einfachem Rand, karolingischen Säulen und Marmorfragmenten mit Flechtband. Das Retabel von 1486-92 stammt von Jakob Russ, die Fassung und Malerei von einem Meister Michel, vielleicht aus der Malerwerkstatt des Hans Huber. Die Predella mit sechs Reliefs zeigt die Passion Christi. Im Schrein steht die Muttergottes zwischen Emerita und Ursula und den Diözesanheiligen Luzius und Florinus; auf den Innenseiten der Flügel sind Reliefs der St. Galler Klosterpatrone Gallus und Otmar sowie der Patrone von Disentis, Sigisbert und Plazidus zu sehen. Auf den Flügelrückseiten ist die Geburt Christi und die Anbetung der Könige dargestellt, an der Rückseite des Schreins finden sich vollplastische, vielfigurige Kreuzigungsdarstellung. Im Gesprenge sind unter anderem eine Marienkrönung, Apostelgruppen und die Dreifaltigkeit mit Maria und Johannes der Täufer als Fürbitter zu sehen.
Im Altarblock des Kryptenaltar sind die 1921 gefundenen karolingischen Marmorplatten eingesetzt. Vor der Reliquiennische für den heiligen Fidelis von Sigmaringen befindet sich ein Gitter von Ende des 15. Jahrhunderts, als Aufsatz dient ein kleiner kielbogiger Flügelaltar um 1480 aus der Werkstatt Ulrich Schreier, mit den gemalten Darstellungen der Marienkrönung, Verkündigung und Heilige.
Im Ostjoch des südlichen Seitenschiffes steht der Altar St. Plazidus und Sigisbert von 1646. Das Altarbild mit der Auferstehung Christi entstand wohl gleichzeitig. Die spätgotischen Statuen der Patrone von 1490-1500 stammen vermutlich von Jakob Russ. Über dem Eingang zur Laurentiuskapelle ist ein Votivbild der Familie von Mont-Cabalzar mit Kreuztragung, datiert 1610, von Dietrich Meuss zu sehen, im Durchgang eine Pietà aus der Werkstatt des Jakob Russ, um 1490.
In der Laurentiuskapelle ein Altar mit in die Front und Kerzenstufen eingesetzten karolingischen Marmorplatten. Diese zeigen Flechtband, Rosetten, Weinranken und Trauben sowie auf der Mittelplatte des Stipes zwei Löwen zu beiden Seiten des Kreuzes. Der Altaraufsatz datiert auf 1545 aus der Werkstatt Bockstorffer, gestiftet wurde er von Bischof Luzius Iter. In einem graziösen Frührenaissancerahmen ist eine Anbetung der Könige im Mittelbild dargestellt, seitlich und in der Predella sind sieben Szenen aus dem Leben des Heiligen zu sehen, im Aufsatz Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers. Im mittleren Joch des südlichen Seitenschiffs steht ein Josephsaltar von 1657, im Westjoch ein Rosenkranzaltar mit einem Stuckretabel von 1653. Das Altarblatt mit der heiligen Familie stammt von Johann Rudolf Sturn. In der Sakristei (umgestaltet 1964) ist ein Spätrenaissanceretabel mit Kreuzigungsbild von C. oder G. Dreher von 1606 zu sehen, die Predella mit Grablegung ist von Franciscus Schorno 1684.
In der Kathedrale finden sich zahlreiche Grabdenkmäler, vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts. Dazu gehören der bedeutende Sarkophag des Bischofs Ortlieb von Brandis (gestorben 1491) von Jakob Russ in rotem Veroneser-Marmor 1485 mit Liegefigur des Bischofs, an der Westwand nördlich des Portals das Epitaph des Bischofs Thomas von Planta mit Halbfigur (gestorben 1565), rechts davon im Seitenschiff die einfache Grabplatte des Georg Jenatsch (1596-1639), Politiker und Oberst zur Zeit der Bündner Wirren. Barockepitaphien, meist aus schwarzem Marmor, finden sich unter anderem für Bischof Ulrich VI von Mont (gestorben 1692), Paul Buol (gestorben 1697), Bischof Ulrich VII von Federspiel (gestorben 1728) und Georg Anton von Rost (gestorben 1738). Für Bischof Dionys von Rost (gestorben 1793) wurde ein klassizistisches Kenotaph von Joseph Sporer gestaltet. Die allegorischen Gestalten des Todes sind in schwarzem Marmor dargestellt, und die der trauernden Kirche in weissem Marmor. Vor dem Hauptportal befindet sich das neuromanische Epitaph des Weihbischofs Albert von Haller (gestorben 1858).
Schlagworte
Art
Normdaten
https://explore.gnd.network/gnd/4227812-0
Adresse
Hof
Parzellennummer
2840
Gebäudeversicherungsnummer
1-31
Nachweis / Literatur
Bistum Chur. (2023) https://www.bistum-chur.ch/, Stand: 19.09.2023.
Externe Links
https://www.bistum-chur.ch/kathedrale/geschichte/