Beschreibung
Die Kirche Sogn Gieri ist das reichste Beispiel eines vollständig ausgemalten mittelalterlichen Kirchenraums in der Schweiz.
Sie steht in abgeschiedener Lage auf einem bewaldeten Hügel über dem Hinterrhein. Das Patrozinium geht auf die lokale Legende zurück, nach welcher der heilige Georg Graubünden Mitte des 4. Jahrhunderts missioniert und an dieser Stelle mit dem Pferd über die Rheinschlucht gesetzt habe, um den heidnischen Verfolgern zu entkommen. Die Altpfarrei wird 960 erstmals erwähnt. Durch Grabungen anlässlich der Restaurierung 1961-63 konnte eine karolingische Saalkirche mit gestelzter Apsis und ummauertem, möglicherweise offenem Vorhof nachgewiesen werden. Die heutige Anlage besteht aus einem romanischen Schiff mit Flachdecke und einem querrechteckigen gotischem Chor aus dem frühen 14. Jahrhundert mit Kreuzrippengewölbe. Der Turm an der Südseite des Chors stammt vielleicht aus dem 14. Jahrhundert, im 16. Jahrhundert wurde er erhöht. An der Südwand von Chor und Schiff sind Bildfragmente erhalten, aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammen ein Christophorus und der Drachenkampf des heiligen Georg. Die neue Decke im Schiff von Jakob Moron ist datiert 1731, gleichzeitig entstanden die neuen Stichbogenfenster. Der Flügelaltar eines süddeutschen Meisters ist datiert 1522, er kam aus dem 1546 reformiert gewordenen Tamins nach Rhäzüns und wurde 1994 restauriert. Im Schrein steht eine Muttergottes zwischen den heiligen Johannes der Täufer und Georg, Felix (nicht zugehörig) und Martin; an den Flügeln innen Reliefs der heiligen Katharina (?) und Dorothea, Laurentius und Jakobus der Ältere. An den bemalten Aussenseiten ist eine Epiphanie dargestellt, an der Rückseite des Schreins das Jüngste Gericht. Die altertümlichen Bänke ohne Lehnen sind aus Balken gefügte.
Die hochgotischen Wandmalereien stammen von zwei Künstlern: Die älteren im Chor und am Chorbogen um 1350 sindvom Waltensburger Meister, die jüngeren an den Schiffswänden aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vom Rhäzünser Meister.
Im Chor sind die Rippen illusionistisch zur Vortäuschung reicher Profile farbig bemalt. In den Gewölbekappen sind Blattranken zwischen vier grossen Medaillons mit Engeln als Evangelisten dargestellt, auf dem Schlussstein ein Antlitz Christi. In den drei Gewölbeschilden finden sich die Verkündigung (flankiert von Fuchs und Storch der Äsop-Fabel), die Kreuzigung und die Marienkrönung. Unter einem kräftigen Mäanderfries ist zudem eine stark zerstörte Anbetung der Könige, eine Apostelreihe und das Stifterpaar mit Rhäzünser Wappen zu sehen, in der Fensterleibung die heiligen Oswald und Niklaus.
Der Bogen der Chorbogenwand ist wie die Gewölberippen des Chors illusionistisch gefasst. An der Wand, unter einem Zinnenfries, werden in drei Bilderstreifen mit ikonografisch interessanten, ineinanderfliessenden Szenen die Wunder und Leiden des heiligen Georg dargestellt. Rechts oben zeigt König Dadianus dem Heiligen die Marterinstrumente Rad und Kessel, daneben ist das Wunder des heiligen Georg, der aus dem Haus einer armen barmherzigen Witwe Zweige spriessen lässt zu sehen. Darunter wird ihm das verkrüppelte Kind der Witwe vorgeführt, links davon ist die Gefangennahme Georgs abgebildet und links oben wird Königin Alexandria nach ihrem Bekenntnis zum Christentum an den Haaren aufgehängt, gepeitscht und darauf enthauptet, während der für sie bittende heilige Georg in einen Kessel mit siedendem Blei gesetzt wird. Im mittleren Bildstreifen lässt Zauberer Athanasios einen Dämon aus einem zerberstenden Stier steigen, der Heilige wird gerädert, im unteren Streifen aufgehängt und geschunden und rechts des Chorbogens schliesslich enthauptet. Unter der Georgslegende ist links eine Schutzmantelmadonna mit kniendem Stifter und zwei Frauen unter dem Wappen Rhäzüns dargestellt, rechts, über dem gemauerten Altarblock, Johannes der Täufer. An der Nordwand des Schiffs ist die Darstellung des Drachenkampfes zu sehen.
An den Längswänden und an der Westwand des Schiffs befinden sich drei Streifen von Einzelbildern aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, in denen sich der so genannte Rhäzünser Meister durch seine lineare und improvisierende Darstellungsweise in der Art einer Armenbibel von der stiltreuen und durchkomponierten Kunst des Waltensburger Meisters unterscheidet. Gezeigt werden in freier Folge streng voneinander geschiedene Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, an der Nordwand finden sich zusätzlich Andachtsbilder: Oben der heilige Nikolaus mit den drei Jungfrauen, unten ein so genannter Feiertagschristus, eine Gregorsmesse, die lokale Legende vom Sprung des heiligen Georg über den Rhein, der Erzengel Michael als Seelenwäger, Tod und Bestattung der Muttergottes.
Das einfache Herrschaftsgestühl stammt von 1661, die Rechteckkanzel von 1659.