- Bündner Kantonsschule (1850 - 2016)
Titel / Bezeichnung
Bündner Kantonsschule
Datum
1850 - 2016
Verzeichnungsstufe
Institution
Verwaltungsgeschichte / Biografische Angaben
Die Bündner Kantonsschule (BKS) ist eine Abteilung des Amtes für Höhere Bildung (AHB), eine Dienststelle des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartements (EKUD). Die Bündner Kantonsschule hat als öffentliche Mittelschule des Kantons einen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Sie nimmt bei der Gestaltung ihres Lehrplans und bei seiner Umsetzung Rücksicht auf die kantonale Dreisprachigkeit (Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch). Sie bietet die Abteilungen Langzeitgymnasium und Kurzzeitgymnasium, sowie Handels- und Fachmittelschule an. Gestützt auf die Gesetzesgrundlage ist die Bündner Kantonsschule die Referenzschule für die privaten Mittelschulen Graubündens.
Die Eröffnung der Kantonsschule geht auf das Jahr 1804 zurück. Nachdem die Idee einer Landesschule im heutigen Graubünden bereits früher angeregt worden war, gewährte die vom Krieg befreite Mediationszeit (1803-1815) dem eben gegründeten Kanton Platz für Neuerungen. In Aarau war zwei Jahre vorher 1802 die erste Kantonsschule der Schweiz entstanden. Bereits am 1. Mai 1804 konnte die evangelische Kantonsschule mit 27 Schülern verteilt auf zwei Klassen den Betrieb aufnehmen. Der katholische Teil des Grossen Rates verweigerte wegen des entschiedenen Vetos des Bischofs eine gemeinsame Schule. Eine eigene katholische Kantonsschule öffnete im Kloster Disentis im November 1804 ihre Tore.
Bereits vor der Vereinigung der beiden Schulen im Jahr 1850 unterrichteten die Lehrer evangelische und katholische Schüler gemeinsam in Fächern wie Physik, Chemie, Naturgeschichte, Kadettenwesen und Turnen. Zur Zeit der Zusammenführung der evangelischen und katholischen Kantonsschule gab es vier Schulabteilungen: Gymnasium, Realschule (unterteilt in Handelsabteilung und technische Abteilung) und das Lehrerseminar. Die Jahre nach der Vereinigung der beiden Kantonsschulen waren geprägt durch die Kritik vom Grossen Rat und schliesslich die Reorganisation von 1864/1865. Die Schule hatte mit häufigem Lehrerwechsel zu kämpfen und versuchte sich stetig an den Hochschulen zu orientieren. So fand die erste Abgangsprüfung 1866 statt. Bereits ein Jahr später anerkannte das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich die Technische Maturität der Bündner Kantonsschule, so dass die Maturanden prüfungsfreien Zugang zum ersten Kurs hatten. Ebenfalls kürzte der seit 1843 vereinigte Erziehungsrat die Stundenzahl in den Fächern Latein und Griechisch gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr, um Raum für die neueren Sprachen, wie Spanisch und Englisch, zu machen.
Seit der Reorganisation der Bündner Kantonsschule von 1864/1865 zeichnete sich allmählich eine Differenzierung zwischen den einzelnen Abteilungen ab. Deshalb entwarfen die Erziehungskommission, die Schulleitung und die Lehrerkonferenz 1895 eine "Verordnung über die Organisation und den Unterrichtsplan der Kantonsschule" [Vgl. Verordnung über die Organisation der Kantonsschule, in: Amtsblatt, Nr. 28, 12.7.1895, S. 347-348; Schulnachrichten, in: Programm BKS 1895/1896, S. 3-4]. Diese zeigt den neuen organisatorischen Aufbau der Schule mit Progymnasium und Unterer Realschule in den ersten beiden Klassen und einer Ausdifferenzierung der dritten bis fünften bzw. siebten Klasse in Gymnasium, Technische Schule, Handelsschule und Lehrerseminar. Diese Abteilungen sollten bis zur Maturitätsreform von 1995 Bestand haben. 1909 öffnete die Bündner Regierung das Gymnasium für Mädchen.
Die schweizerischen Gymnasien waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch unterschiedlich organisiert und strukturiert. Zu dieser Zeit gründeten einige Lehrer und Professoren aber den Verein Schweizerischer Gymnasiallehrer (VSG) mit der Zielsetzung, die Maturitätsausbildung und -abschlüsse zu koordinieren. Die gleichzeitigen Bestrebungen, die Freizügigkeit für die Inhaber medizinischer Berufspatente zu erlangen, beeinflussten die Bewegung zur Vereinheitlichung des Gymnasialwesens, insbesondere hinsichtlich der Anerkennung der Maturitätsausweise. Der Kantonsschule in Chur wurden einige Neuerungen auferlegt, dafür anerkannte der Bund 1917 die Maturitätszeugnisse des Gymnasiums und liess die Maturanden zu den eidgenössischen Medizinalprüfungen zu. Nach Einführung der neuen Maturitätsanerkennungsverordnung (MAV) und einigen Reformen seitens der Bündner Kantonsschule wurde diese 1927 in die Liste der maturitätsberechtigten Schweizer Mittelschulen aufgenommen. Die Ausbildung sollte neu in allen drei maturitätsberechtigten Abteilungen – Literaturgymnasium mit Griechisch und Latein (A), Realgymnasium mit Latein und modernen Fremdsprachen (B), sowie Technische Abteilung mit Mathematik und Naturwissenschaften (C, auch Oberrealschule genannt) – bis zur siebten Klasse dauern. Die Handelsabteilung, welche nicht unter die Bestimmungen der MAV fiel, entwickelte sich unter dem 1930 gewählten Lehrer Armin Tschupp immer mehr zu einer kaufmännischen Fach- und Berufsschule. 1935 erarbeitete er ein neues Reglement und einen Lehrplan und erreichte im selben Jahr mit diesen die Anerkennung des bündnerischen Handelsdiploms durch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA). Tschupp hoffte, dass bei einer eventuellen Revision der MAV ein einheitlicher Maturitätstypus D für die Handelsmittelschulen geschaffen werden könne. Nach zwei abgelehnten Anträge an die Regierung 1953 und 1958 durch Grossrat Paul Bruggmann wurde erst 30 Jahre später das Anliegen mit der Einführung einer Diplommittelschule verwirklicht.
In den Grossratsverhandlungen vom 22. und 27. Mai 1968 kamen die Studentenunruhen von Paris und anderen Orten zur Sprache. Dabei kam eine wichtige eidgenössische Reform bei der Anerkennung der Maturitätsausweise zustande: der Typus C berechtigt nun auch zum Studium der Medizin und Veterinärmedizin. Neben dieser Neuerung hatte der Bundesrat auch den so genannten "gebrochenen Bildungsweg" genehmigt (Übertritt ins Gymnasium über den Besuch eines Schultyps der Sekundarstufe I), der nun als vollberechtigt neben der traditionellen Lösung des "Langzeitgymnasiums" galt. Langjährige Forderungen der Lehrerschaft und zahlreicher Rektoren waren aber bei der MAV-Revision von 1968 nicht berücksichtigt worden. Neue Gymnasialformen wie z.B. die neusprachliche Maturität ohne Latein oder die Handelsmaturität stiessen auf Ablehnung. Eine weitere Revision brachte dann 1972 doch noch die Anerkennung der Typen D (neusprachliches Gymnasium) und E (Wirtschaftsgymnasium), andererseits die Einstufung von Musik als Maturitätsfach. Die Bündner Kantonsschule diskutierte diese Neuerungen 1973. Insbesondere der neusprachliche Typus D löste Diskussionen im dreisprachigen Bergkanton aus. Die Anerkennung des Romanischen als Maturafach würde aber eine zusätzliche Revision der MAV voraussetzen. Überdies sei umstritten, ob der neusprachliche Typus eine echte Alternative zum Realgymnasium (Typus B) darstelle. Deshalb gab es den Typus D erst nach 1986, das Wirtschaftsgymnasium indes bestand bereits 1974. Zu Beginn des Jahres 1995 beschlossen der Bundesrat und die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) das Maturitätsanerkennungsreglement (MAR), welches am 1. August 1995 in Kraft trat. Mit diesem Erlass wurden die Maturitätstypen A, B, C, D und E aufgehoben und durch eine typenlose Maturität ersetzt. Die Bündner Gymnasialrektorenkonferenz entwarf schon 1996 ein Mittelschulkonzept für den Kanton Graubünden, welches die Grundlage für die 1998 in einer Volksabstimmung durchgeführte Teilrevision des kantonalen Mittelschulgesetzes bildete. Die Ausbildungsdauer bis zur Matur ist im MAR auf zwölf Jahre festgesetzt, wovon mindestens vier Jahre für die Maturitätsvorbereitung aufgewendet werden müssen. Die Bündner Mittelschulen wie auch die Kantonsschule mussten deshalb die Dauer des Langzeitgymnasiums von sieben auf sechs, die des Kurzgymnasiums auf vier Jahre verkürzen. Auf der Grundlage des MAR hat die Bündner Kantonsschule neu die Möglichkeit, einen zweisprachigen Maturitätslehrgang in den Sprachen italiano/tedesco bzw. rumantsch/tudestg anzubieten.
Im gleichen Jahr wie der Typus D, 1986, wurde auch eine Diplommittelschule (DMS) eingeführt. Bei der Weiterführung der DMS stellte sich aber das Problem, dass die Diplome – und damit auch die Schulen selber – nicht mehr länger so genannt werden konnten, da diese Bezeichnung den Abschlüssen auf der Tertiärstufe (Fachhochschulen, Universitäten etc.) vorbehalten ist. Die EDK vereinheitlichte deshalb im Juni 2003 mit der Einführung der Fachmaturität den Zugang zu den Fachhochschulen und ersetzte die bisherigen Richtlinien zur Anerkennung der Diplome. 2004 wurde aus der Diplommittelschule die Fachmittelschule (FMS) mit zwei möglichen Abschlüssen: den Fachmittelschulausweis und, nach einem Praktikum sowie dem Verfassen einer Fachmaturitätsarbeit im gewählten Berufsfeld, die Fachmaturität. Schon drei Jahre zuvor begann zeitgleich mit der Handelsmittelschule (HMS) das Pilotprojekt der Informatikmittelschule (IMS).
Literatur:
Lechmann, Gion: 200 Jahre Bündner Kantonsschule, Chur 2004.
Hügli, Anton: Gymnasium, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), URL: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010404/2011-09-15/, Stand 12.07.2022.
Kanton Graubünden, Bündner Kantonsschule, Über uns, URL: https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/ahb/bks/uberuns/Seiten/default.aspx, Stand 12.07.2022.
Anzahl / Umfang
12.14 Laufmeter
Form und Inhalt
Der Bestand umfasst einen Zugang:
- C51 Bündner Kantonsschule: Unterlagen aus dem gesamten Geschäftsbereich 1850-2016
Kategorie
Standort
Staatsarchiv Graubünden
Provenienz
Verein Ehemaliger der Bündner Kantonsschule , Bündner Kantonsschule
Quelle
Archivdatenbank des Staatsarchiv Graubünden: https://staatsarchiv-findsystem.gr.ch/home/#/content/d53becb0048e481ab4bcc59acb5643be
Benutzbarkeit
TeilweiseGesuchspflichtig
Zugangsbestimmungen
Im Bestand vergebene Schutzfristen: 0 Jahre (Frei zugänglich), 30 Jahre (Ordentliche Schutzfrist), 80 Jahre (Besonders schützenswerte Personendaten)
Schutzfrist
999 Jahre (Verschiedene Schutzfristen)
Schutzfrist Ende
02.01.2093
Nutzungsrechte
Gemeinfrei